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DER SEE
Eine neue Kassette für die Sammlung Hartmann mit Gedichten von Gerd
Kolter und Monotypien und Glasobjekten von Peter Marggraf
Hans Georg Bulla
Bilder
hängen an der Wand, Bücher stehen im Regal. Und für die besonderen Werke,
die aufhebenswerten Kulturgüter, gibt es Museen und Bibliotheken. Und selbst
wenn beide Institutionen seit langem in Verruf gebracht werden sollen, wozu
noch die „Flachware“ in den Museumssälen oder an den Gitterwänden im
Depotkeller, wozu im digitalen Zeitalter noch Regal-Kilometer in den
Bibliotheken – es gibt sie noch immer. Und das ist gut so.
Aber es gibt auch andere Möglichkeiten der
Aufbewahrung von Kunst und Literatur. Ein ganz eigenes Konzept verfolgt
Peter Marggraf mit den zahlreichen Behältnissen, die er seit Jahren für die
Sammlung von Brigitte und Gerhard Hartmann anfertigt. Es sind aufwendige
Mappen, Kassetten und Boxen verschiedenster Art und Größe, für die sich so
recht keine selbständige, übergreifende Bezeichnung finden lässt. Nur eins
lässt sich, sieht man sie vor sich, gleich feststellen: Unabhängig von dem,
was sie jeweils an Grafiken, Zeichnungen und Büchern im Inneren verwahren,
sind sie eigenständige Kunstobjekte einer besonderen Art, individuell
gestaltete Einzelstücke, sorgfältig in der Werkstatt von Hand gefertigt.
Eins ist diesen Objekten gemeinsam – sie gehen aus von einem Buch, das der
Büchermacher Peter Marggraf gesetzt, gedruckt, gebunden und dem er
Zeichnungen, Monotypien oder Grafiken beigegeben hat. Sie beinhalten also
„Bilder und Wörter“ und präsentieren sie in einer neuen Zusammenführung: Da
ist das fertige Buch, das jedoch in seiner Entstehung vorgestellt wird, mit
den verschiedenen Textfassungen des Autors, mit den Druckproben und
Korrekturen des Büchermachers; und da sind die originalen Zeichnungen oder
Grafiken, die im Buch wiedergegeben sind. Das alles hätte Platz in einer
schlichten Mappe und würde die traditionellen Erwartungen an eine
Werkstatt-Dokumentation („Entstehung eines Buchs“) nicht übersteigen. Aber
Peter Marggraf geht regelmäßig über ein derart schlichtes Konzept hinaus,
die Boxen und Kassetten enthalten ein Mehr an Kunst und übertreffen die
allein mit dem Buch verknüpften Vorstellungen.
Jüngstes Beispiel ist die großformatige und schwergewichtige Kassette „Der
See“: Ausgangspunkt sind die Bodenseegedichte von Gerd Kolter mit dem Titel
„Bevorzugte Gegend“ und Peter Marggrafs „Landschaftsversuche“,
erschienen im Herbst 2014
als Band 11 der Reihe I libri bianchi. Landschaften – die kannte man bislang
eher nicht im zeichnerischen Werk von Peter Marggraf; hier liegen sie vor,
als Monotypien auf Packpapier gedruckt. Und Gerd Kolter hat diverse
Fassungen seiner Gedichte gesammelt, dazu Korrespondenzen mit dem Lektor
und natürlich die Skripte selbst. Und der Büchermacher läßt in seine
Werkstatt blicken, mit Probeseiten und Korrekturbögen.
Die Gedichte, die Monotypien, das gemeinsame Buch sind jedoch nur ein Teil
dieses Objekts, für das Peter Marggraf sehr bewußt einen neuen Titel und
damit ein weitergreifendes Konzept gewählt hat: Der See. So steht es auf der
handgefertigten Box, die bezogen ist mit einem seeblau getönten Papier.
Klappt man den Deckel und die eine Seitenwand zurück, sieht man unter der
oben liegenden Mappe mit den Monotypien auf zwei Reihen mit jeweils sechs
blauen Kästen, Schubladen ähnlich, fast eine kleine Kommode. Diese Kästen
werden sicherlich, das lässt einen die Neugier wissen, die eine oder
Überraschung bereit halten. Gut, in den beiden oberen sind zunächst das Buch
und die dazu gehörigen Materialien zu finden. Dann aber, zieht man die
nächsten Schübe auf, entdeckt man jeweils ein Glasobjekt, genauer: ein
Relief, zudem ein auf Pergament handgeschriebenes Gedicht, alles sorgfältig
auf eine Schaumstofflage gebettet. Zehn Reliefs sind es insgesamt, sie
messen jeweils rund 27 x 27 cm – und keines gleicht dem anderen.
Glasobjekte – auch sie sind in dieser Form etwas Neues im Oeuvre von Peter
Marggraf: Auf eine helle, durchsichtige Glasplatte, so läßt sich ihre
Herstellung rekonstruieren, sind jeweils Papierstücke, Metallfäden,
andersfarbige Glasstäbe usw. in unterschiedlicher Weise aufgebracht worden,
dann wurde sie im Brennofen gebrannt und Platte und Auflagen verschmolzen
miteinander. Ergebnis ist eine ungleichmäßig strukturierte Oberfläche,
durchsetzt mit zeichenhaften, eher abstrakten Elementen. Hält man diese
Reliefs aber nacheinander gegen das Licht, so rufen sie Ansichten eines
Seeufers und eines Seespiegels auf, von Objekten, Wellenbewegungen und
Reflexionen auf der Wasserfläche. Inspiriert sind sie von den zugeordneten
Gedichten und sind doch, so wie die Monotypien, eigensinnige Kunstobjekte.
Der See – in dieser Kassette ist, auf kleinem Raum, eine große Ausstellung
versammelt, die jedem Museum, jeder Galerie Ehre machen würde. Der See –
eine Kassette als Wunderkammer. Und als Gesamtkunstwerk ganz eigener Art.
Ein solches Objekt ist gut aufgehoben in der Sammlung Hartmann, die
ihrerseits gut bewahrt ist in der Landesbibliothek Vorarlberg in Bregenz.
Bevorzugte Gegend vorgestellt von Bernd Storz
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Die Abbildungen
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Bevorzugte Gegend Gedichte von Gerd Kolter. Band 14 der
Reihe "i libri bianchi
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Die
neue Sammlung Hartmann vorgestellt von Peter Piontek
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