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I libri bianchi
Band 11
Gerd Kolter
BEVORZUGTE GEGEND
Gedichte
Erschienen im Winter 2014, gesetzt aus
der
Bodoni. Im Buch sind Zehn Monotypien auf
Packpapier von Peter Marggraf wiedergegeben. Preis: 25 Euro
zuzügl. Versand
Der See Eine Kassette mit Monotypien
zu Gedichten von Gerd Kolter für die Sammlung Hartmann
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„Bevorzugte
Gegend“
Neue Gedichte von Gerd Kolter
Monotypien von Peter Marggraf
Von
Bernd Storz
Länder zu suchen / lohnt nicht mehr / die Ankunft
enttäuscht / den Sehnsuchtsblick.“ So beginnt das Gedicht
„Zwischenbemerkung“: Ein Schlüsselsatz. Doch ausgerechnet die Länder am –
oder sagen wir doch gleich: die Landschaften – des nicht nur literarisch
vielbesungenen Bodensees werden zur „bevorzugten Gegend“, zum Gegenstand für
37 Gedichte, die Gerd Kolter in seinem sorgsam bibliophil gestalteten,
gleichnamigen Lyrikband versammelt.
Der Autor, 1949 in Ludwigshafen geboren, lebt in
Göppingen und hat bisher in unregelmäßiger Abfolge zahlreiche Gedichtbände
vorgelegt. Was
lohnt sich also, einer künstlerisch abgegrasten Gegend („hilflos wieder /
vor den alten Oden“) heute als Lyriker zu begegnen, ohne den Leser zu
enttäuschen? Der „Sehnsuchtsblick“, der bei Kolter von der Marienschlucht
bis zu Hus und Hecker wandert und der spätestens seit Goethes Italienreise
zum festen Bestandteil deutscher, südlich-mediterranen Landschaften
zugewandten Literaten zählt – genügt nicht. Zwar ist er Voraussetzung, um
Landschaft als Feld der Poesie aufzuschließen, doch Poesie entsteht erst
dann, wenn sie sich ihrer sprachlichen Prämissen bewußt wird.
Kolter schaut sich als
Lyriker über die Schulter. „Ich werde mich hinsetzen / und wütend genau sein
/ mit der Farbe des Sees / der nie und immer / so war.“ Mit diesen Zeilen
werden nicht nur Wechsel und Beständigkeit äußerer Naturerscheinungen
reflektiert – hier formuliert Kolter sein poetologisches Programm.
Und er ist genau – in
der Setzung der Worte, Satz für Satz. Sich der Gefahr bewußt, mißverstanden
zu werden. Und vielleicht braucht es auch diese Wut, jenseits aller
Sprachhülsen die eigene Sprache zu finden, den eigenen Rhythmus, die eigene
Farbe. Zunächst:
Immer gibt es den nachvollziehbaren Ausgangspunkt: Das Sehen. Die
topographische Verortung. Mit wenigen Worten skizziert. Der Kirchturm, der
im ungewissen Wechselspiel mit bodenseetypischen Naturerscheinungen zur
einzigen „Gewißheit“ wird. Das Ried als Ort von „Gedankenverstecken“. Aber
dann kippen die Sätze bald ins Bedeutsame, Mehrdeutige, und – unverhofft
immer wieder ins augenzwinkernd Ironische und Selbstironische.
Dabei entfaltet eine
sublime narrative Struktur der meisten dieser Gedichte eine erzählerische
Sprachebene, die eine eigentümliche Spannung entwickelt. Sie erleichtert es
dem Leser, sich den Chiffren, den sprachlichen Verschlüsselungen, den
Bildern zu nähern. Und in ihrer Zuspitzung teilzuhaben an angebotenen
Erkenntnissen: Über die Geschichte der Menschen, die am Ufer des Sees
siedelten und siedeln, über die Natur, die ungebrochen aufleuchtet und
gebrochen wird. Das „behäbige Wasser“, in das wir blicken, die „unerhörten
Aussichten“…
Sehnsuchtsblicke: Die Gedichte von Gerd Kolter geben uns, indem sie der
erlebten Landschaft Bedeutungen abgewinnen, das Staunen wieder.
Die Monotypien von Peter
Marggraf antworten den Gedichten von Gerd Kolter als autonome, von Kolters
Poesie inspirierte, eigenständige Werke. 1947 bei Lüneburg geboren, gehört
der Bildhauer, Zeichner und Büchermacher zu den wenigen bildenden Künstlern,
die sich – seit der Verdrängung des Bleisatzes durch digitale Drucktechniken
– dem Handpressendruck verschrieben haben. Unter seiner Regie erscheint in
der werkstatteigenen „San Marco Handpresse“ in der Reihe der „i libri
bianchi“ nun Gerd Kolters Gedichtband – gleichberechtigt zu den als
„Landschaftsversuche“ bezeichneten Arbeiten Marggrafs. Die mit schwarzer
Öldruckfarbe auf erdig anmutendem Packpapier (im Original 36 x 48cm)
gedruckten Graphiken (im Buch digital wiedergegeben) zeichnen sich
bildnerisch durch ihren zeichnerischen Charakter aus. Mit ihren verrätselten
Kürzeln, linearen Strukturen, amorphen Formen und geometrischen Anspielungen
korrespondieren sie mit der sprachlichen Anmutung der Gedichte. Die auf 100
Exemplare limitierte, aus der Bodoni gesetzte und auf Zerkall-Bütten
gedruckte Ausgabe dürfte ein Leckerbissen für Bibliophile sein.
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