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„Stets wird ein Seufzer meiner Brust entsteigen“

i libri bianchi Band 13
August von Platen SONETTE AUS VENEDIG
Peter Marggraf Fotografien

 

 

 Von Friederike Kohn

Venedig! Ein nie verklingendes Echo in den engen Gassen. Eine sich in Ringen fortsetzende Spiegelung auf dem Wasser der Lagunenstadt. Ein immer wiederkehrendes Motiv in den Werken und Büchern Peter Marggrafs. „Sonette aus Venedig“ – Band 12 der bibliophilen Reihe „I Libri Bianchi“ der San Marco Handpresse ist eben erschienen.
„Wie lieblich ist’s, wenn sich der Tag verkühlet, / Hinaus zu sehn, wo Schiff und Gondel schweben, / Wenn die Lagune, ruhig, spiegeleben, / In sich verfließt, Venedig sanft umspühlet!“
Den bekannten Sonetten August von Platens stellt der Künstler Peter Marggraf eigene Fotografien zur Seite, die er mithilfe einer 100 Jahre alten Plattenkamera im Sommer 2015 in Venedig aufgenommen hat. Wer Marggraf kennt, weiß, daß ihn seit vielen Jahren eine innige, schöpfende Liebe mit der Stadt verbindet, in die er jedes Jahr zurückkehrt, um in einer Künstlerwerkstatt zu arbeiten. Zeichnungen, Gouachen und Aquarelle entstanden hier – zum Teil bebildern sie die vorangegangenen Venedig-Bände der „i libri bianchi“, deren Grundlage stets Texte bekannter Autoren aus vergangenen Zeiten sind.
Die Beschäftigung mit Fotografie ist neu für den Künstler, der vor allem als Bildhauer und Zeichner arbeitet. Doch: „Wer wollte diesem Wunder widerstehen? Einem Gegenstand, der ‚sich selbst malte‘, sich selbst ohne Hilfe von Kunst, ohne die mindeste Einwirkung von Menschenhand auf die Platte bannte, einzig durch Lichtwirkung und immer bis in feinste Einzelheiten gleichbleiben“, so ein Zitat aus dem Buch „Objektivität“ (Lorraine Daston/Peter Galison, Frankfurt/M., 2007), mit dem Peter Marggraf seine Motivation beschreibt.
Der Künstler hat sich eine neue Ausdrucksform angeeignet. Da, wo von Platen die vielen Gesichter der Serenissima in die Zeilen seiner Sonette bannt – das Sonett ist eine der strengsten Formen des gereimten Gedichtes und von Platen (1796-1835) zählt als Meister dieser Gattung – da verwischen die Fotografien der nicht mehr ganz lichtdichten Plattenkamera. Das Licht züngelt in Flammen über die Architektur der Stadt, gleißt und überhaucht die Brücken, Palazzi und Plätze. Venedig wurde schon so oft fotografiert, daß, wenn man sich vorstellte, daß jedes Foto ein Stückchen, eine Schicht des Fotografierten abtragen und mitnehmen würde, die Stadt heute so aussehen müßte wie auf den Fotos von Peter Marggraf. Sie wäre ein Geist, eine Ahnung von etwas, das einmal sehr wertvoll war, das nun von der Vergangenheit umhaucht ist.
Wie Marggraf betrachtet auch August von Platen Venedig mit den Augen und der Inspiration des Künstlers. „Im tiefsten fühl’ ich meine Seele brennen, / Die Großes sieht und Großes will erreichen.“
In seine Sonette flicht er Gedanken über die Historie der Stadt und die dort erschaffenen Kunstwerke wie auch Empfindungen von Fremdheit, Liebe und Abschiedsschmerz. Nicht ohne Grund wurden von Platens Sonette von Autoren wie Rilke, Thomas Mann und Gottfried Benn sehr geschätzt – sie sind kunstvoll gearbeitet und doch leichtfüßig, zeugen von Klugheit und beweisen Empfindsamkeit – eine betörende Mischung.
100 Exemplare der „Sonette aus Venedig“ wurden in der San Marco Handpresse von Peter Marggraf ansprechend in der Schriftart Helvetica gesetzt, auf Büttenpapier gedruckt und von Hand gebunden.

 

August von Platen


FÜNFTES SONETT

Venedig liegt nur noch im Land der Träume,
Und wirft nur Schatten her aus alten Tagen,
Es liegt der Leu der Republik erschlagen,
Und öde feiern seines Kerkers Räume.

Die ehrnen Hengste, die durch salz’ge Schäume
Dahergeschleppt, auf jener Kirche ragen,
Sie sind nicht mehr dieselben ach! sie tragen
Des korsikan’schen Ueberwinders Zäume.

Wo ist das Volk von Königen geblieben,
Das diese Marmorhäuser durfte bauen,
Die nun verfallen und gemach zerstieben?

Nur selten finden auf des Enkels Brauen
Der Ahnen große Züge sich geschrieben,
An Dogengräbern in den Stein gehauen.
  August von Platen


SIEBZEHNTES SONETT


Wenn tiefe Schwermut meine Seele wieget,
Mag’s um die Buden am Rialto flittern:
Um nicht den Geist im Tande zu zersplittern,
Such’ ich die Stille, die den Tag besieget.

Dann blick’ ich oft, an Brücken angeschmieget,
In öde Wellen, die nur leise zittern,
Wo über Mauern, welche halb verwittern,
Ein wilder Lorbeerbusch die Zweige bieget.

Und wann ich, stehend auf versteinten Pfählen,
Den Blick hinaus in’s dunkle Meer verliere,
Dem fürder keine Dogen sich vermählen:

Dann stört mich kaum im schweigenden Reviere,
Herschallend aus entlegenen Kanälen,
Von Zeit zu Zeit ein Rufen des Gondoliere.
 

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