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Paul Celan. Der Sand aus den Urnen
Die Dichtungen des Michelangelo
Zwei bibliophile Buchausgaben der San Marco Handpresse

Marianne Winter-Limbach

Seit mehr als 25 Jahren ist die San Marco Handpresse mit Sitz in Venedig und Bordenau/Niedersachsen ein Garant für feine, kleine Buchausgaben, die schon Vorhandenes, Text und Illustration, in edle Gewänder kleidet. Zwei neue bibliophile Schönheiten sind im Frühjahr erschienen mit einer Auswahl von Gedichten Paul Celans und Michelangelos, jeweils ergänzt durch Bildinterpretationen von Peter Marggraf, dem Schöpfer dieser Druckwerkstatt.
Der erste Eindruck ist neben dem optischen ein haptisches Wohlgefühl: Der Einband ein leicht getöntes Weiß, das kein Gespür von Härte aufkommen läßt und bei dem jeder unachtsame Fleck in dieser Reinheit eine Straftat wäre. Das Papier angenehm griffig, feiner, strukturierter Wildseide gleich. Im Innern des Buches auf Bütten gedruckt der Schriftsatz in Frutiger, klar und transparent, oder Futura in selbstbewußtem fetten Satz, rhythmisch gegliedert. Gleichwertig eingebunden die Bildseiten in der ihr eigenen Form. Unter dem Titel „Der Sand aus den Urnen“ hat Marggraf Celans schwermütige Gedichte vereint, wo Sprachgebilde entstehen, die Erlebtes, Erlittenes, Stimmungen und Zeiträume in Geistesräume verwandeln. Marggraf hat dazu Collagen erdacht, die adäquat mehrdeutig Bilder formen, dichte Überlagerungen aus Erinnerungen und Assoziationen, gewoben aus Fotofragmenten, Linien aus Graphit und Temperamalerei, geheimnisvoll und wirr wie Träume, eigenständig als Kunstwerk und zugleich Celans Gedichte in ein neues Medium verwandelnd.
Die bibliophile Ausgabe der „Dichtungen des Michelangelo“ vereint gleich mehrere Besonderheiten: So erhalten Michelangelos Gedichte, durch Rainer Maria Rilke ins Deutsche übertragen, eine zusätzliche Variation. Ergänzend hat Peter Marggraf nach Zeichnungen von Michelangelo eigene Figuren entworfen, die das Wesen der Skulpturen des Bildhauers verinnerlichen. Das Liniengefüge in aktiver Bewegung entspricht dem Tasten und Suchen nach der Gestaltwerdung des Menschenkörpers, das Inkarnat des Rötelstifts gleicht Körper und Stein. Während Michelangelo aus Worten Skulpturen modelliert, formt Marggraf aus Linien lebendiges Werden und Vergehen. Michelangelos Gedichte sprechen von existentieller Nachdenklichkeit und Melancholie. Was immer geboren wird, nähert sich zugleich dem Tod. Beeindruckend der Verweis auf die Bildhauerei, die durch Abtragen des Gesteins die Gestalt im Innern sichtbar macht und sogar bis in die Seele vordringt, ein Prozeß, der auf das Leben übertragen werden kann.
Beide Bände bewahren Sprachschöpfungen, die Zeit zum Nachdenken verlangen. Ihrer Wertschätzung entspricht die handgebundene, sorgfältig durchdachte Buchform als Qualitätsmerkmal des kleinen Verlages.

 

 

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