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Zur Ausstellung Peter Marggraf, Haus Nottbeck, 2017
Die
Literatur ist das eigentliche Thema des Kulturgutes Haus Nottbeck. Doch der
ist die Kunst des Büchermachens eng verwandt, und die bildende Kunst steht
nicht fern. Im Werk des Bildhauers, Zeichners, Druckers, Büchermachers Peter
Marggraf findet alles zusammen. Der Vielfalt seines Schaffens bietet nun in
ausgewählten Stücken das kleine Gartenhaus von Nottbeck großartig Platz.
Drei bildhauerische
Arbeiten akzentuieren den Raum. Die „Zurückweichende Figur“ (Terracotta),
die „Stehende Figur mit vor der Brust gekreuzten Armen“ und ein
Bronze-„Kopf“. Aber diese Akzente dominieren nicht, sie weisen auf die
grafischen Blätter an den Wänden hin und auf die handgesetzten oder
zumindest handgebundenen Bücher mit Texten klassischer wie zeitgenössischer
Autoren und auf die Mappenwerke in den Vitrinen hin, denen sie gleichsam
entstiegen scheinen.
„Immer steht im
Mittelpunkt seiner Arbeit der Mensch“, zitierte der Dichter Hans Georg Bulla
vor den zahlreichen Eröffnungsgästen aus einem „Steckbrief“ des 1947
geborenen, im Neustadt am Rübenberge ansässigen, in etlichen Sammlungen
vertretenen Künstlers, Träger des Niedersächsischen Kunstpreises. Der Mensch
werde in all seiner Verletztheit und Verletzlichkeit gezeigt. Dabei
erscheine die menschliche Gestalt „so archaisch wie heutig“ und könne die
Frage aufkommen lassen: „Was tut der Mensch dem Menschen an?“
Marggraf gehe bei seinen
Tonarbeiten und Bronzen mit „existenzieller Ernsthaftigkeit“ zu Werke,
erläuterte der aus Dülmen stammende, heute bei Hannover lebende
Droste-Preisträger Bulla. „Jede trägt die Spur der Hände, aus denen sie
hervorgegangen ist.“ Nach Art des „non finito“ würden Wunden, Behinderungen,
Deformationen, der Mensch in seinem Beschädigtsein und zugleich in seiner
Würde gezeigt.
Marggrafs Glaube an „das
anders Mögliche“, habe ihn in jüngerer Zeit auch Ausstattungsstücke für
Sakralräume fertigen lassen, so Bulla weiter. Und er wies auf eine Gestalt
der heiligen Edith Stein, der zum Katholizismus konvertierten Jüdin, im
Dritten Reich umgebrachten Nonne in einer Göttinger Kirche ebenso hin wie
auf einen Christus für eine evangelische Kirche in Borken. Der sei geformt
als „ein Einladender und ein um Communio, Gemeinschaft, Bittender“.
Was stilistisch für die
Plastiken und Skulpturen gilt, trifft weitgehend auch auf die Zeichnungen
und Radierungen zu, die Marggraf den in seiner San Marco Handpresse teils in
Bleisatz gedruckten Büchern mit Texten etwa von Georg Büchner, Franz Kafka,
Georg Trakl, Ingeborg Bachmann, Samuel Beckett oder zeitgenössischen
Dichtern einlegt, deren prominentester Bulla selbst ist. Es sind indes nicht
Illustrationen, sondern eigenständig aus der Literatur geschöpfte Bilder.
Ausgestellt sind etwa Blätter zu Thomas Manns „Tod in Venedig“ aus Marggrafs
Venedig-Projekt, zu Büchners „Woyzeck“ und zu
„Er ist barhäuptig, barfüßig“ von Beckett. „Da war Suhrkamp großzügig“,
meinte der frühere Suhrkamp-Autor Bulla zu den Schwierigkeiten, die
Druckgenehmigung für Texte zu bekommen, die Vielleser Marggraf für seine
Linotype-Setzmaschine von 1928 auswählt.
„Peter Marggraf
ist ein Handarbeiter in all seiner Disziplin und im alleranspruchsvollsten
Sinne“, erklärte Bulla, der einstimmend einige der besten Gedichte aus
seinem jüngsten Band „Wie an jedem Tag“ vortrug. Er nannte Marggraf einen
„homo faber“. Der wolle „den Stoff des Lebens wahrnehmen“ für „das Bild des
Menschen“.
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