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30
SO WEISS DAS PAPIER Von
Wörtern, Bildern und Büchern
Peter Marggraf Zeichnungen
(Portraits der vierzehn Autorinnen und Autoren)
Nachbemerkung
Hans Georg Bulla
So weiß das
Papier … Es gibt sie noch immer, jene legendäre und
legendenstiftende Angst der Schreibenden vor der leeren weißen
Seite, selbst wenn es die Seite auf dem flimmernden Monitor ist. Und
zahlreich sind die Ratschläge, sie zu überwinden: Bei Angst vor dem
ersten Satz – mit dem zweiten, dritten Satz beginnen, die Geschichte
besser von hinten aufrollen, vom Ende her denken und schreiben. Beim
Roman mag das noch helfen, wie aber verhält es sich mit den Versen,
wenn sie auf das Papier und sich zu einem Gedicht versammeln sollen?
„Die kleinen Verse“, schrieb Michael
Krüger einmal in einem Gedicht, „die keine Richtung kennen, / keine
Tendenz, sie folgen selbstvergessen / einem Weg ins Dunkel und
tauchen plötzlich / auf der Lichtung auf, verwandelt.“ Und diese
Lichtung, so hätte ich es gern, ist das Weiße des Papiers, das genau
ausgemessene helle Rechteck. Um keinem Un-Benn’schen Mystizismus
Vorschub leisten zu wollen: Natürlich werden Gedichte ge-
macht – aber setzt nicht jedes gemachte
und gelungene Gebilde noch den hartgesotten-sten Macher in
Erstaunen? Nicht zuletzt über das eigne Tun und Vermögen.
Wie aber erscheint die Linie auf dem
Lichtungsweiß des Papiers, die Linie der Zeichnung? Noch jede Linie,
jeder Strich hat bereits, kommt mir vor, eine lange Geschichte
hinter sich, so schnell und mit gestischem Elan sie auch hier oder
dort gezogen worden sind: Sie kommen aus dem Wunsch, sich ein Bild
machen zu wollen, mit dem Stift, mit der Hand, mit dem eignen Blick
auf die Welt. „Beim Zeichnen“, schrieb John Updike, der
amerikanische Romancier, der auch gern ein Zeichner war, „tauchen
wir unmittelbar in die physische Wirklichkeit ein. Ein Kind
entdeckt, daß ein paar Punkte und eine Kurve ein Gesicht ergeben,
das zurücklächelt. Aus dem Nichts wurde etwas geschaffen.“ Und immer
wieder, so hält er als eigene Erfahrung beim Griff nach der
Zeichenfeder fest, „kehrt die alte Aufregung zurück – da ist die
funkelnde, zügige Genauigkeit, die Gefahr etwas zu verwischen; da
sind das Zittrige und das Entschlossene, die den Linien Leben
einhauchen.“
Den Linien Leben einhauchen, die Zeilen
lebendig werden lassen. So unterschiedlich die Tätigkeiten des
Zeichnens und Schreibens sein mögen, sie führen im Falle des
Gelingens zu einzigartigen Ereignissen, Ereignissen auf dem Papier.
Zunächst auf dem Papier. Denn: Zeichnung wie Gedicht brauchen das
Auge des Betrachters, das Auge des Lesers; sie brauchen den zweiten,
dritten, vierten Blick, um sie leben zu lassen.
Die weißen Bücher: „i libri bianchi“, die
Peter Marggraf seit Jahren in der San Marco Handpresse entstehen
läßt, sind Wunderkammern voll von solchen außerordentlichen
Ereignissen auf Papier, aufbewahrt und zusammengeführt zwischen den
Buchdeckeln. Neunundzwanzig Bände sind bislang erschienen, und alle
vereinen gleichberechtigt, Seite an Seite, Texte und Bilder.
Klassische und zeitgenössische Texte sind es, Lyrik und Prosa, und
Bilder aus der Werkstatt Peter Marggrafs, Zeichnungen, Aquarelle,
Grafiken und Fotografien.
Dieser dreißigste Band, bemerkenswerte
Markierung einer langen Werk-Strecke, handelt in einer Vielzahl von
Gedichten von den Wörtern, Bildern und Büchern, vom Schreiben,
Zeichnen, Machen. Die Autorinnen und Autoren, ihre Texte sind
zumeist Erstveröffentlichungen, sind alle der San Marco Handpresse
seit langem verbunden, haben dort eigene Veröffentlichungen
vorzuweisen oder sind regelmäßig in der Werkstatt-Zeitung vertreten.
Peter Marggraf setzt vor die Texte ihr gezeichnetes Porträt und
macht damit den dreißigsten Band der „weißen Bücher“ zu einem sehr
besonderen.
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