|
STARTSEITE
I
AKTUELLES
I
PETER
MARGGRAF
I
BILDHAUER UND ZEICHNER
I
SAN MARCO HANDPRESSE
I
VENEDIGPROJEKT
I
I
LIBRI BIANCHI
I
KONTAKT
Gegenschein
Über die Gedichte von Wilhelm Steffens
Hugo Dittberner
Ein schönes Buch, das beim Wort und beim Strich
genommen werden will – um es dann lichter werden zu lassen, Bild.
Bring verloren // Das letzte / herzbetrunkene
Blatt // Wörter auf Halbsatz / niedergeschnitten // Span um Span Locken / am
durchsichtig / schwindenden Holz.
Der Anlaß ist die Antwort, prüfende Wiederholung,
was ankam, was sich offenbarte. Der Gegenschein wird andere Belichtung, im
Modus ein Zeit nehmen, nicht zu schnell und ausschließlich das Ganze wahren,
den ersten Sinn, die pure Oberfläche, sondern – zu warten, was sich zeigt,
wenn du dir Zeit nimmst. Was der neue Dichter als Gegenschein wahrnehmen und
zeigen, was er mit seinem Schein versehen kann. Dies die geistige Bewegung,
der Wunsch des Buchs. Der Gegenschein als Epiphanie. als Erleuchtung der
bildlichen, gegenständlichen Vorstellung und zugleich als Vorschein eines
Wunders des Unvergänglichen, ja, man kann das Pathos und seine Zuwendung zum
Religiösen wohl so übersetzen: zum Wundmal: dem Zeichen der Öffnung des
Geschichtlichen zum Ewigen. Zu einem Zwischenreich, wenn man die
mitgesprochenen Interpretationen Paul Klees und Walter Benjamins ernst
nimmt, wo sich Engel der Geschichte und Engel der Verheißung treffen.
Engel rufen // Schaufelt das Eis weg die Blumen /
zerbrochenes Glas // Vom unnützen Fenster den / hölzernen Rahmen verbrennt
// Mit Licht macht weit / mein Gehör im farbigen / Atem des Feuers //
läutert die Zunge / zum stimmhaften Spiegel // für nie gesehenen
Gegenschein. Das
ist eine Übertreibung, sagt die Vorsicht. Angesichts von nur 16 Gedichten
und einer Radierung. Ge-dichte in wenigen Zeilen mit noch weniger Wörtern
meist, ohne Reimklang und entäußernde Stimmführung (etwa der Litanei);
angesichts des sparsamsten Umriß oder gar Riß nur der Radierung. Reduktion
ist gesucht, Prüfung verbürgt, Prunk und Pracht verpönt; nur eben eine Spur
des Pathos aufgenommen. Allerdings die Spur des Pathos, die seinen Anfang,
sein Geheimnis herbeizitiert, um es dingbar werden zu lassen.
Ich frage die Steine / warum sie nicht singen.
Und zugleich, der wort- und zeichenkritische
Gestus ist und bleibt ja vorhanden, wirkt das fast als Aberwitz dieses
Anspruchs. Denn es ist fragwürdig, ob sich dieser Gegenschein etwas anmaßen
will. Der Gegenschein bleibt gleichsam erwogen. Und das Glück bestehe darin,
daß Dichter und Künstler vor dieser Aufgabe stehen können: vor der Aufgabe
ihrer Tradition.
Der Bräutigam der Hoffnung / gekleidet in EIN HEMD AUS FEUER / tritt vor die
Dinge hin er / wartet mit dem Wort bis ihn / der Dinge Stimme selbst der
Glaube / zum Bau der Sakramente weist.
Der Gefahr, daß ein Eigentliches das Gegenwärtige
überwinden könnte, wird doppelt begegnet: im kritischen Umgang mit der
Einzelheit um im skrupulösen Arbeiten mit dem Werkstoff der Kunst. Wort und
Strich schwafeln nicht, sondern bleiben, prüfend, bei sich.
Fernen liehen wir die Stimme / ungebrochen // Bei
schweigsamen Stühlen / verkrustet / auf dem bekümmerten Tisch / unser
peinliches // tägliches Brot.
Die Wörter füllen zwar ihren Satz, aber sie
ergeben sich ihm nicht, ja nicht einmal dem Vers. Sie halten an, als gelte
es, die Würde eines Lemmas zu wahren, den Hinweischarakter fast noch der
Silbe; und alles sei zurückgenommen in einem durchaus variablen Duktus des
Mitteilens: des sachlichen, des preisenden, des wehmütig erinnernden gar und
romantisch anmutenden.
In der Nacht blühen / eingebildete Tage /
Lichtwunder Morgen.
Der Leser ist langsam geworden auf seinem Weg
durch das Buch. Was ein Abstecher sein konnte, Antwort eben, ist ein
Lebensweg, Existenzzeichen geworden, durchaus programmatisch: Gegenschein.
Jetzt aber zählen Worte // mehr als Sandstürme
Schiff / brüche und entzückende Lektüren / von Reisen in den Orient //
Feuerrot auf Gelb / ein Jazz von Matisse // Spieglein Spieglein / am
Frisiertisch das / letzte Treffen anderswo // Im Glas ein Sprung.
|