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Fortfahrend innehalten
Zu den Gedichten von Andreas Hausfeld
Christiane Schulz
Die im
Winter 2007 von verlegerischer Meisterhand sorgsam gesetzten und kunstvoll
gebundenen sechzehn Texte des Lyrikers Andreas Hausfeld nehmen den Leser mit
auf eine abwechslungsreiche Reise, die am Meer beginnt, die sich fortsetzt
auf einem Kanal, um die Wahlheimat des aus Niedersachsen stammenden Autors
zu streifen, das Thüringer Land mit seinen Bergbauwunden. Eine Fahrt, die
Station macht unter einer Kastanie aus Kindertagen und in einem Liebesnest,
im Schatten von Olivenbäumen, die wie im Flug die Wüste quert und über den
Großen Teich führt, um „Sehr spät“, so das Titel gebende Gedicht der
Ausgabe, nach Hause zurückzukehren, zu einer geheimnisvollen Erinnerung:
„Eine Hand, die dieses Buch früher hielt“.
Äußerst genau und detailbezogen werden die Orte
beschrieben, dabei stets konzentriert, die Feder mühelos im Zaum haltend,
niemals ausschweifend.
Liegt in der prägnanten Kürze vielleicht ein
Gegenpol für den 1964 geborenen Hausfeld, der seit 2003 in Greiz als Pfarrer
tätig und somit im Beruf der zusprechenden Rede verpflichtet ist? Als
Dichter begibt er sich auf die Suche nach Ankerketten, dabei auch die Fender
sehend, die das Land auf Abstand halten. Der kargen Realität der
Kanalschiffer immerhin mit Hoffnung begegnend, konstatiert er hier nur
knapp: „soweit es geht, hält man sich an sich selbst fest“.
Wenn aber das Meer sich heiser schreit in eisiger
Kälte, so daß „die Menschen sich nur noch auf seine Lippen trauen“, bleibt
lediglich ein vages „Sie gehen langsamer“.
Und ganz ohne einen lichten Ausblick kommt die
„Gepresste Luft“ heraus, die von den Kumpeln unter Tage über Jahre geatmet
wurde, auch die radioaktive, denn „Augen ohne Ruß erkennt der Spiegel nicht
mehr“, und „bald bricht das Grundwasser in die Augen“.
Eine ungewöhnliche Perspektive für einen
Theologen. Gönnt sich der Seelsorger im Schreiben die Freiheit, die er sich
gegenüber den Mitgliedern seiner Gemeinde mitunter wird verbieten müssen?
Doch sind es gerade diese eindringlichen Texte,
die das Vergängliche, das Vergebliche, das Unvermeidliche auf leise,
einfühlsame Art thematisieren und die ohne jeden modischen Effekt auskommen,
die sich mühelos ihren Weg bahnen direkt unter die Haut, während einer von
dem Asphalt, der „rast, wo der Nebel es zuläßt, bis ins reißende Glissando
der Bremsen“ eher flüchtig nur darüber hinweg streicht. In den ruhigen
Augenblicken, im stillen Leben findet der reisende Beobachter offensichtlich
eher zu sich selbst und zu den lyrischen Klängen.
Die Bilder von dem, was in und mit der
„Frauen.Kirche“ geschah, haben sich den Menschen und den Steinen
eingebrannt, und sie brennen noch immer fort, werden sich nie auslöschen
lassen, so daß es unnötig erscheint, mit „Damals sind ihre Eierstöcke
zerplatzt“ zu schockieren.
Um wieviel gelungener wirkt hingegen ein altes
Foto, „aus dessen Blässe sich die Augen nicht heraus trauen“ oder eine
Metapher wie die, in der „sich das Verstummen in der Stimme sammelt“, wenn
der Autor „In einer Bar“ in Lakehurst weilt.
Da geht einer vom Abbild des Einzelnen zum
Gesamten, immer am Konkreten entlang, ohne sich im Allgemeinen zu verlieren.
Theoretisches bleibt ausgespart. Die Dinge sprechen für sich und eröffnen
allein durch ihr Vorhandensein und die Verbindungen, die sie miteinander
eingehen, einen größeren Raum, eine Weite, in der das rein Faktische ins
Schwingen gerät, den Beschreibungen eine Seele wächst.
Da gibt es die Lache, die mit sich nimmt, „was
hier keinen Ort hat“, in der Dampfzentrale die „Kügelchen kalter Luft“,
Sprünge, die das Wasser fürchten oder einen Tropfen, der davon träumt, ein
eigenes Gesicht zu haben, während die anderen „die Angst in der Masse hält“.
Nie aber bleiben die Gegenstände, die
Landschaften unter sich. Immer ist der Mensch anwesend, wenn auch nicht
direkt sichtbar, so zumindest in den Spuren, die er hinterlassen hat oder
allein dadurch, daß „keines Menschen Stimme dabei zu hören ist“, wenn über
die Wüste nur „der Kiel einer Adlerfeder“ streicht, um den Oud erklingen zu
lassen. „Sehr
spät“ ist es mitunter, ja, das läßt sich nicht überlesen, aber, und darin
liegt doch eine gewisse Zuversicht, selten zu spät. Irgendwann regnet es,
wenn auch dürr, und irgendwann „hat uns die farbige Welt wieder“.
Diesem Wortwerk, das von Hans Georg Bulla in
bewährt feinfühliger Weise lektoriert wurde, wußte der Künstler,
Büchermacher und Herausgeber Peter Marggraf ein grafisches Werk zur Seite zu
stellen, das kongenial den Duktus der Sprach- und Bildwelt aufgreift und
ergänzt. Auch er fühlt sich von der Wüstenmetapher inspiriert und wählt für
seine dem Buch als Extrablatt beigelegte Radierung den Titel „Keines
Menschen Stimme“: Ein mit wenigen Strichen erfaßtes Gesicht, das in seiner
zeichnerischen Zurückhaltung und in seiner Sicherheit der Linienführung das
Typische der Herangehensweise des Schreibenden widerspiegelt, ja, gleichsam
unterstreicht. Obwohl die Augen und der schmale Mund in dem die Fläche ganz
ausfüllenden Antlitz fest verschlossen sind, angedeutet lediglich durch
dünne, wenig geschwungene Linien, so meint der Betrachter doch, in eine
Seele blicken zu können, eine Seele, die zartbesaitet ist, die den Schmerz
kennt und die dennoch zu träumen und vage zu lächeln versteht.
Damit ist in der San Marco Handpresse eine
weitere der spezifischen Kostbarkeiten von sowohl optisch als auch haptisch
herausragendem Wert entstanden, wie sie der Liebhaber und Sammler zu
schätzen weiß, die den Kunstinteressierten ebenso erfreut wie den Literaten.
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