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DER TOD TANZT
Eine Kassette für die Sammlung
Brigitte und Gerhard
Hartmann
Von Torsten Kantor
Die Kassette „Der Tod
tanzt“, angefertigt von Peter Marggraf für die Sammlung Brigitte und Gerhard
Hartmann, ist ein außergewöhnliches Kunstwerk, das den uralten Totentanz in
einer modernen, vielschichtigen Interpretation neu aufleben läßt. In
mehreren Abteilungen präsentiert Marggraf in dieser Kassette eigenständige,
abgeschlossene Werke, die den Tod in unterschiedlichen künstlerischen Medien
und Ausdrucksformen erkunden.
Die Idee, die Gerhard Hartmann vor rund zwanzig
Jahren entwickelte, war, einen künstlerischen Dialog zwischen Text und Bild
zu fördern. Dieser Ansatz wird in dieser Kassette auf eindrucksvolle Weise
umgesetzt. Marggraf greift das traditionelle Totentanzschema auf, in dem der
Tod die Menschen unabhängig von ihrem Stand oder Beruf zum Tanz holt. Doch
anders als in den historischen Darstellungen, in denen der Tod oft spöttisch
und die Sterblichen in ihrer irdischen Pracht gezeigt werden, verzichtet
Marggraf auf diese Insignien und Darstellungen von Standesunterschieden.
Seine Figuren sind nackt, ohne Attribute und ohne Kontext. Dies entkleidet
die Begegnung mit dem Tod von ihrer gesellschaftlichen Prägung und reduziert
sie auf das Wesentliche: das Individuum im Angesicht des Unvermeidlichen.
Die Figuren in Marggrafs Zeichnungen sind nicht
einfach passiv dem Tod ausgeliefert, sondern treten ihm aktiv gegenüber. Sie
wirken fühlend und leidend, als hätten sie sich entschieden, den Tanz mit
dem Tod aufzunehmen, statt ihm einfach nur zu verfallen. Die skizzenhaften
Bleistiftkonturen, manchmal übermalt, verleihen den Figuren eine
Lebendigkeit, die in scharfem Kontrast zur Thematik steht. Durch den breiten
Pinselstrich auf einigen Blättern, scheint es, als könnten die Figuren
tatsächlich in Bewegung geraten, um mit dem Tod zu tanzen.
Besonders bemerkenswert ist, wie Marggraf den Tod
darstellt. Er ist nicht der unnahbare „Sensenmann“, sondern scheint fast
menschlich, manchmal sogar verletzlich. Auf einer der Abbildungen streift
die Hand eines Mannes neugierig das Bein des Todes, was die Beziehung
zwischen den beiden komplexer macht, als es auf den ersten Blick scheint.
Der Tod, der manchmal klein und unterlegen, dann wieder groß und dominierend
erscheint, interagiert auf unterschiedliche Weise mit den Menschen, die ihm
gegenüberstehen. Diese Darstellung unterstreicht die ambivalente Beziehung,
die der Mensch zum Tod hat – einerseits als unausweichliche Realität,
andererseits als Partner in einem letzten Tanz.
Das Motiv des Totentanzes, das seit dem späten
Mittelalter immer wieder aufgegriffen wurde, um gesellschaftliche
und religiöse Themen zu reflektieren, erhält in
Marggrafs Werk eine neue Dimension. Die Reduktion auf das Wesentliche – die
nackte Begegnung mit dem Tod – und die dynamische Darstellung der Figuren
verleihen dem alten Motiv eine Aktualität, die über das Historische
hinausgeht und eine tiefere, existenzielle Ebene erreicht.
Im Mittelpunkt dieser Kassette stehen der
12-teilige Totentanz zu Hugo Distlers musikalischem Werk mit gleichem Titel
(Sprüche von Angelus Silesius und die Dialogtexte von Johannes Klöcking,
nach dem Lübecker Totentanz) und die Radierfolge zu Franz Schuberts „Der Tod
und das Mädchen“. Diese Werke verbinden Musik und bildende Kunst zu einem
intensiven Dialog, der den Betrachter tief in die Thematik des Todes
hineinzieht. In der Kassette liegen auch die Schallplatten der Stücke und
von Peter Marggraf überzeichnete Notenbücher.
Besonders beeindruckend
ist die Radierfolge zu Heinrich Heines „Traumbilder – Ein Totentanz“, die in
Venedig entstand und mit 12 kraftvollen Darstellungen, zwölf Radierungen,
vertreten ist.
Marggrafs Fähigkeit, die beklemmende Atmosphäre des Totentanzes einzufangen
und gleichzeitig die poetische Schönheit von Heines Versen zu bewahren,
macht diese Serie zu einem Höhepunkt der Sammlung.
Zu dem Buch „Der Tor und der Tod“, ein
Theaterstück von Hugo von Hofmannsthal, liegen alle in diesem Buch
wiedergegebenen monochromen Aquarelle zum Thema „Der Tod“.
Das Künstlerbuch „Der Ackermann und der Tod“, ein
Streit- und Trostgespräch aus dem Jahre 1400, bildet einen weiteren
Schwerpunkt der Kassette. Hier legt Marggraf nicht nur alle Andrucke,
Radierplatten und Vorzeichnungen bei, sondern schafft es, den alten Text in
einem neuen, visuellen Kontext lebendig werden zu lassen. Die Kombination
von Text und Bild (sechs eingebundene Radierungen), die den Sammler Gerhard
Hartmann seit Jahren fasziniert, erreicht in diesem Werk eine neue
Dimension.
Äußerlich ist das Thema dieser Ganzleinen-Kassette sofort erkennbar: Hinter
Glasscheiben tanzen die Beine eines „Knochenmannes“, eine düstere, aber
gleichzeitig faszinierende Einladung in die Welt des Totentanzes. Diese
äußere Gestaltung korrespondiert mit der inneren Thematik, die in einer
intimen, aber intensiven Auseinandersetzung mit dem Tod ihren Ausdruck
findet. In
Marggrafs Arbeiten wird der Tod zu einem greifbaren, fast vertrauten
Gegenüber, das in einen Dialog mit dem Lebenden tritt. Die Figuren, die er
zeichnet, sind ihrer individuellen Identität beraubt und befinden sich in
einem konturlosen Raum. Diese Entindividualisierung unterstreicht die
Universalität des Todes, der keinen Unterschied macht zwischen Arm und
Reich, zwischen jung und alt. In den verschiedenen Darstellungen, ob der
Mann, der dem Tod neugierig entgegenblickt, oder die Frau, die plötzlich
zwischen Mann und Tod auftaucht, zeigt sich eine „Paarung“, eine Beziehung
zwischen den Figuren, die den unausweichlichen Einfluß des Todes auf das
Leben widerspiegelt. Der Tanz wird hier nicht nur als Metapher für das Ende
des Lebens verstanden, sondern auch als eine Spiegelung der existenziellen
Auseinandersetzung mit dem Tod, die seit dem Mittelalter immer wieder
künstlerisch aufgegriffen wurde.
Der Totentanz als Thema in der Kunst hat seine
Wurzeln tief im späten Mittelalter, als Pestepidemien und Kriege den Tod
allgegenwärtig machten. Marggrafs Werke führen diese Tradition weiter und
passen sie den Herausforderungen und Fragen der modernen Zeit an. In einer
Welt, in der der Tod oft unsichtbar und anonym geworden ist, sei es durch
die Sterbezimmer der Krankenhäuser oder die mediale Darstellung von Kriegen,
bringt Marggraf den Tod zurück in das Bewußtsein des Einzelnen.
Insgesamt zeigt die Kassette „Der Tod tanzt“
eindrucksvoll, wie zeitlos und relevant das Thema des Totentanzes ist. Durch
Marggrafs innovative und tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Thema
erhält der Betrachter nicht nur einen ästhetischen Genuß, sondern auch eine
Einladung zur Reflexion über die eigene Sterblichkeit. Die Sammlung Hartmann
bereichert diese Kassette um ein Werk, das sowohl in seiner technischen
Ausführung als auch in seiner inhaltlichen Tiefe herausragt und das Thema
des Totentanzes auf eine neue, moderne Ebene hebt.
„Der Tod tanzt“ ist mehr als nur eine Sammlung
von Zeichnungen; es ist eine tiefgreifende Meditation über Leben, Sterben
und die unvermeidliche Begegnung mit dem Tod. Marggraf gelingt es, das Thema
so zu gestalten, daß es sowohl an historische Darstellungen anknüpft als
auch eine neue, zeitgemäße Interpretation bietet. Die Kassette ist ein
bedeutendes Werk in der Sammlung Hartmann, das den Totentanz als lebendiges,
weiterhin relevantes Thema in der Kunst verankert.
Aufbewahrt wird diese Kassette in der Sammlung
Brigitte und Gerhard Hartmann im Deutschen Buch- und Schriftmuseum in
Leipzig.
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